Freundschaften mit Hunden beinhalten meiner Meinung nach die Verpflichtung, die Führung zu übernehmen.
Führung ist für Hunde genauso wichtig wie Schutz und Liebe. Die hundliche Kultur ist darauf ausgelegt. Hunde benötigen eine soziale Ordnung, in die sie sich eingebettet und sicher fühlen können – sie gehen also bis auf wenige Ausnahmen davon aus, dass jemand die Führungsrolle übernimmt.
Nur mit einer der Lebenssituation des Mensch / Hundeteams angepaßten Führung ist größtmögliche Freiheit verbunden, es ist also eher grausam, als feinfühlig, seinem Hund gegenüber keine klaren Regeln aufzustellen. Welche Regeln für einen Hund im Sinne einer angepassten Führung aufgestellt werden hängt stark davon ab, wie viele Konflikte und Probleme in seiner Umgebung zu erwarten sind, was wiederum davon abhängt, in welchem Umfeld er lebt und wie der Hund auf dieses reagiert.
Ein Großstadthund wird eine intensivere Führung brauchen, als ein Hund, der auf einem einsamen Bauernhof lebt. Es ist aber nicht nur wichtig, DASS Regeln definiert werden, sondern auch WIE sie dem Hund vermittelt werden. Vorgreifend kann schon hier gesagt werden, dass es dahingehend kein Patentrezept gibt. Wieder abhängig vom Hundecharakter, seinen bisherigen Lernerfahrungen, vom Charakter des Hundeführers und der Art der Beziehung, die sich daraus ergibt, ergeben sich Möglichkeiten und Arten der Regeldefinition und –vermittlung. Die so vorhandene Individualität macht jeden Hund, den Umgang mit ihm und das Ergebnis daraus einzigartig.
Aber gute und angemessene Führung allein ist kein Garant dafür, dass in Extremsituationen (Jagen, Hundebegegnungen, Menschenbegegnungen usw,) nicht trotzdem Probleme auftreten. Das Wort „Probleme“ sei hier nicht darauf bezogen, dass ein Hund ein Verhalten an den Tag legt, das artfremd oder unnatürlich ist, denn das sind die meisten „Problemverhalten“ nicht. Die Probleme, die aus bestimmten ganz natürlichen Hundeverhaltensweisen resultieren, mutieren fast immer erst durch unsere von Moral und bestimmten Werten geprägte Gesellschaft zu Problemen. Was für uns Menschen ein Problem ist, ist es für den Hund noch lange nicht, denn er reagiert auf bestimmte Reize nur so, wie er es aufgrund seiner bisherigen Lernerfahrungen und angeborenen Verhaltensmöglichkeiten MUSS.
Daraus kann man ableiten, dass Sozialisierung und richtiges Training, also bestimmte positive Lernerfahrungen entscheidend und wichtig sind, damit der Hund mit der Komplexität eines mit Menschen geteilten Lebens umzugehen weiß.
Eine gute und angemessene Führung funktioniert nur, wenn beide Parteien – Führender und Geführter – einen generellen Vorteil aus ihr erfahren. Der Geführte bringt wertvolle Dinge ein, die auf der Hand liegen – z.B. die zumindest zeitweise Unterordnung der eigenen Interessen. Dafür bekommt er aber die Möglichkeit, ein stressarmes und sicheres Leben zu leben, denn um die für die soziale Gruppe relevanten Dinge kümmert sich der Führende.
Was bedeutet das für den Hundehalter?
In erster Linie bedeutet das Führen eines Hundes für den Hundehalter, dass er Entscheidungen treffen, und damit einen Handlungsrahmen schaffen muss, in dem der Hund sich frei bewegen kann. Der Sinn von Führung ist es, dem Hund einen Weg zu ebnen, der situativ mal schmaler (kurze Leine in der Stadt) oder mal breiter sein kann (Hundewiese oder freies Feld). Innerhalb dieses Weges kann der Hund sich stressfrei bewegen. Das muss er lernen und dann wissen. Innerhalb dieser Wegbegrenzung sollte ihm jeglicher Stress genommen sein und er sollte sich nicht um besonders relevante Dinge kümmern müssen.
Der Idealfall eines gut geführten Hundes ist der, dass der Hund sich freiwillig an seinem Menschen orientiert, weil ihm dieser eine souveräne und faire Führung bietet. Bei vielen Mensch / Hundeteams ist das möglich, ohne dass der Mensch in irgendeiner Weise aversive oder aversiv angehauchte Handlungen am Hund vornimmt. Es handelt sich dann um ein ruhiges und von Gemeinschaftlichkeit geprägtes Miteinander, in dem der Hund die Entscheidungen seines Menschen einfach deswegen akzeptiert, weil er zu ihm aufschaut und nicht anzweifelt, dass diese Entscheidung oder Vorgabe sinnlos oder falsch sein könnte.
Ich bin nun an einem Punkt angelangt, der wahrscheinlich wie kein anderer momentan Grundsatzdikussionen in der Hundewelt auslöst: Die Art und Weise, wie man einem Hund vermittelt, dass man so toll ist, dass er die über ihn ausgebreitete Führung gerne und sicher annimmt und akzeptiert.
Je nach Hundecharakter kann das kurzzeitig Stress auslösen. Dieser kurzzeitige Stress ist allerdings nicht mit dem Dauerstress zu vergleichen, dem ein Hund ausgesetzt ist, wenn er keine Führung erfährt und meint Aufgaben übernehmen zu müssen, denen er nicht gewachsen ist. Um chronischen Stress zu vermeiden ist es also meiner Meinung nach durchaus legitim, innerhalb der Führung beim Hund kurzzeitigen Stress zu erzeugen, wenn dies nötig ist. Dies darf nun nicht in sofern missverstanden werden, dass in der Vermittlung von Führung grundsätzlich und immer Stress entstehen muss, oder dass zwingend aversive Interaktionen nötig sind. Ein sozial positives Handeln und damit ein positives Klima ist auch in der Führung immer anzustreben. Dazu gehört natürlich auch die vorbereitende Führungsarbeit. Führung findet immer dann statt, wenn Interessenskonflikte zwischen den Motivationen des Hundes und seiner Umwelt entstehen. Ahnt man möglichst viele davon voraus und arbeitet daran vorbereitend im Vorfeld, haben es Hund und Mensch im „Ernstfall“ leichter, denn es sind dann schon gelernte Lösungsstrategien vorhanden, die abgerufen werden können. Die wichtigste vorbereitende Arbeit in Sachen Führung ist allerdings die Beziehungs- und Bindungsarbeit. Ohne eine sinnvoll ausgebildete Beziehung ist Führung wenn überhaupt nur sehr bedingt möglich und mehr Management als Führung. (Management im Sinne von Schadensvermeidung z.B. über die Eingrenzung mit der Leine / einfaches Festhalten des Hundes).
Man könnte es vielleicht so sagen:
Die vorbereitende Führungsarbeit besteht eigentlich aus zwei Bereichen. Der erste Bereich ist die Ausbildung einer sinnvollen und guten Beziehung, die dafür sorgt, dass im Kopf des Hundes ein Bild von seinem Menschen entsteht, dass den Menschen für ihn führungskompetent erscheinen lässt und es dem Hund erst möglich macht, die menschliche Führung generell anzunehmen.
Im zweiten Bereich geht es dann eher darum, Konfliktsituationen vorauszuahnen und –allgemein oder schon spezifisch – auf Lösungsstrategien hinzuarbeiten. Allgemein könnte man z.B. das Etablieren eines Abbruchsignals nennen, nebst Vermittlung eines alternativen Verhaltens. ( Z.B. „Schluss!“ als Signal für: Hör auf mit dem, was Du da machst (Abbruch) und komm dann zu mir (Alternatives Verhalten). Mit einem im Vorfeld gut aufgebauten Abbruchsignal hat man schon ein mächtiges Tool im Sinne einer in der Führung manchmal benötigten Kontrolle.
Im Übrigen bedeutet das Übernehmen der Führung durch den Halter unter Umständen, dass er in Ausführung seiner Funktion als Entscheidungsträger gestresster ist, als sein Hund. Dies ist in freier Wildbahn auch so – bei den Leittieren in Wolfsrudeln z.B. lassen sich im Gegensatz zu den anderen Rudelmitgliedern generell höhere Stresspegel nachweisen, was mit ein Grund ist, warum bei Wölfen und Hunden die Bereitschaft und sogar das Bestreben besteht, sich in die Obhut einer Führung zu begeben – es lebt sich einfach stressfreier und entspannter.
Hunde bleiben im Vergleich zu Wölfen in der Entwicklung in einem juvenileren (jugendlicheren) Stadium stehen. In diesem Stadium sind die Bestrebungen, einen höheren Status zu erlangen generell noch nicht so groß, was es dem Menschen leichter macht, seinem Hund gegenüber eine Führungsrolle zu übernehmen.
Hunde finden Menschen schon genetisch bedingt sozial attraktiv, was letztlich in der Domestikation begründet ist und durch eine gute und sinnvolle Sozialisierung untermauert werden kann. Der Mensch braucht also eigentlich nichts anderes zu tun, als die Erwartungshaltung des Hundes zu erfüllen.
Studien an wild lebenden Hundegruppen haben gezeigt, dass diese Gruppen zwar autoritär aber nicht despotisch geführt wurden. Die Leittiere waren immer für die anderen sozial besonders attraktiv, was sich unter anderem darin zeigte, dass die Rangniedrigeren oft und gerne den Kontakt zu den Führungspersönlichkeiten suchten, die das auch gerne duldeten und so dafür sorgten, dass eine sozial positive Stimmung überwog. Entscheidungen mussten meistens nicht aggressiv durchgesetzt werden. Um einen Ortswechsel zu initiieren, reichte es, dass das Leittier aufstand und losging.
Auch nachdem alte Leittiere die generelle Leitung des Rudels aus Altersgründen längst an andere jüngere Tiere abgegeben hatten, wurde deren „Rat“ noch immer befolgt, wenn es um bestimmte Dinge ging. Das Alttier initiierte dann eine Handlung, der das neue Leittier so wie die anderen Gruppenmitglieder folgten.
DAS IST SOZIALE ATTRAKTIVITÄT, DIE MANCHMAL MEHR GEWICHT HAT, ALS DER RANG.
Von der Überzeugung des Menschen, etwas zu tun, hängt auch seine Glaubwürdigkeit ab.
Um einem Hund gegenüber glaubwürdig und authentisch zu wirken, muss der Mensch unbedingt von seinem Führungsstil überzeugt sein und dies auch ausstrahlen. Diese Glaubwürdigkeit bildet die Grundlage für eine qualitativ hochwertige Beziehung zum Hund.
Bevor man also Veränderungen in der Führung vornimmt, oder überhaupt beginnt zu führen, muss man die Einstellung und Vorgehensweise für sich genau hinterfragt haben, damit im Reinen sein und sie verinnerlicht haben. Halbherzige Veränderungen, die damit unsicher wirken und von denen man nicht überzeugt ist, können einen Hund sehr stark verunsichern, was im ungünstigsten Fall eine Verschlechterung der Beziehung und eine Verstärkung von Verhaltensweisen hervorruft, die man eigentlich in den Griff bekommen wollte.
Die Sache mit dem Status
Beim Thema Führung möchte ich den teilweise zu negativ und falsch belegten Begriff „Status“ aufgreifen und etwas ins rechte Licht rücken.
Status bedeutet nichts anderes, als ein Platz im Sozialgefüge der Gruppe, in der ein Individuum lebt. Bereits in der dritten Lebenswoche beginnen Welpen damit, ihren Platz in dem sie umgebenden sozialen System zu finden.
Ein kleines „menschelndes“ Beispiel:
Eine Mutter hat z.B. Ihrem Kind gegenüber einen hohen Status. Dem Polizisten gegenüber, der sie wegen Geschwindigkeitsüberschreitung anhält einen niedrigeren. Das Kind wiederum kann bestimmten Freunden oder Klassenkameraden gegenüber einen hohen Status haben.
Status kann man – genau wie Dominanz – nur definieren, wenn ein anderes Individuum in der Nähe ist, auf das man sich beziehen kann. Allein ist JEDER gänzlich ohne Status. Selbst ein in der Zivilisation einflussreicher Herrscher oder Millionär ist auf einer einsamen Insel nur ein einsamer Mann.
Nun unterliegen die Beziehungen in Rudeln oder Gruppen von Caniden sehr komplizierten Regeln und Zusammenhängen. Noch dazu sind sie nicht starr, sondern verändern sich je nach Motivationen und hormonellen Zuständen. Der Begriff „Status“ impliziert, dass damit ein fester Platz im Sozialgefüge beschrieben wird, der einer Rangordnung ähnelt…
Tatsächlich ist es aber sehr schwierig, die Beziehungen innerhalb von sozialen Canidengruppen so ins Verhältnis zu setzen, dass daraus eine Art Rangordnung entsteht. Und WENN man diese ableiten kann, ist sie nur eine Momentaufnahme und sieht zu einem anderen Zeitpunkt schon wieder ganz anders aus. Die soziale Ordnung in natürlich lebenden Gruppen von Hundeartigen beruht eher auf der Ausbildung von Zweierbeziehungen der Tiere untereinander.
Zum besseren Verständnis benutze ich hier die Dominanztheorie:
Möglich wäre folgende Konstellation: Tier A ist dominant über Tier B, über Tier C und über Tier D. Tier B ist dominant über Tier C, Tier C über Tier D, Tier D aber wieder über Tier B.
Solche möglichen Konstellationen sind kompliziert zu durchschauen und wie gesagt in sich noch variabel, also mit mehr oder weniger starken Motivationen und mehr oder weniger relevanten Bedeutungen bestimmter Ressourcen der verschiedenen Tiere verknüpft.
Es stellt sich also eine weitere wichtige Frage, nämlich die, ob sich ein Hund oder anderer Canide, der in einer sozialen Gruppe mit mehreren Individuen lebt überhaupt (s)eines Status, also (s)eines Ranges bewusst ist, oder ob er sein Handeln „nur“ nach den Beziehungen zu seinen Gruppenmitgliedern ausrichtet und sich somit über einen aus den verschiedenen Beziehungen zu den anderen Gruppenmitgliedern errechenbaren Rang überhaupt nicht im Klaren ist.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich ein vorsichtiger Umgang mit dem Wort „Status“ und dem, was damit ausgedrückt werden kann. Unbestritten ist der Status der Eltentiere. Diese sind in Canidenrudeln und –Gruppen die Entscheidungsträger in relevanten Situationen und behalten einen Gesamtüberblick.
Auch in Zweierbeziehungen – sei es zwischen zwei Hunden oder zwischen Hund und Mensch kann man oft Tendenzen erkennen, die auf einen Status des Einen im Bezug auf den anderen schließen lassen. Sobald aber mehrere Hunde zusammenleben wird es schwierig, einen festen Status der einzelnen Individuen auszumachen. Manchmal ist es möglich und auch relaiv einfach, manchmal aber sehr schwierig bis unmöglich.
Um auf den hohen Status der Elterntiere zurückzukommen: Das ist der Status, den ein Mensch seinem Hund gegenüber meiner Meinung nach inne haben sollte, und da schließt sich der Kreis zur Führung: Um führen zu können, muss der Status des Führenden ein höherer sein, als der des geführten. Dies ist bei Hunden meiner Meinung nur dann möglich, wenn der Hund dies aufgrund seines Bildes vom Menschen als das eines sozial kompetenten Individuums anerkennt.
Ein hoher Status entsteht also nicht über das (z.B. aversive) Durchsetzen von Entscheidungen, sondern es ist andersherum. Ein hoher Status, der vom Hund freiwillig anerkannt wird, legitimiert den Menschen, Entscheidungen auch in Konfliktsituationen durchzusetzen.
Ein Mensch kann sich dem für seine Führungsrolle nötigen Respekt und Status nicht sicher sein, weil er aufrecht geht und eben ein Mensch ist – das reicht einigen Hunden zwar bereits, aber den wenigsten. Die meisten Hunde brauchen mehr und suchen in unserem Verhalten ständig Signale, die auf unseren Status hinweisen. Durch ihr Verhalten teilen sie dem Menschen mit, ob der Führungsstil des jeweiligen Menschen bei ihnen funktioniert.
Um die Effektivität und die Angemessenheit des Führungsstils einem Hund gegenüber zu beurteilen, muss man zwei grundlegende Fragen stellen:
- Hat man unbestrittenen Zugriff auf alle Ressourcen, die der Hund als wichtig empfindet – überlässt er dem Menschen also alles, was er als wichtig empfindet?
- Befolgt er in Momenten der Erregung, oder in Konflikten sein Verhalten betreffende Anordnungen?
Lautet die Antwort auf die beiden Fragen NICHT uneingeschränkt „JA“ , sind das Bereiche, in denen das Verhalten des Hundes auf Probleme hindeutet, die gelöst werden müssen.
DIE LÖSUNG LIEGT IM FUNDAMENT – AUF DER UNTERSTEN EBENE VON BEZIEHUNG UND BINDUNG – UND EVTL. EINER VERÄNDERUNG DES FÜHRUNGSSTILS.
Da unsere Hunde mit uns in relativ einfach strukturierten gemischten Gruppen (meistens ein oder zwei Hunde und seine Menschenfamilie, in der die meisten Hunde eine besondere Bezugsperson haben) leben, finde ich es angemessen, hier von Status im oben beschriebenen Sinn zu reden. Beim Versuch, den relativen Status in seiner heimischen gemischten sozialen Gruppe zu finden, versucht der Hund festzustellen, wessen Regeln er befolgen muss und für wen er Regeln aufstellen kann oder in seinen Augen sogar aufstellen muss. Ohne genaue Einschätzungen über seinen relativen Status, die er durch klare Führung sehr genau vornehmen kann, kann ein Hund nicht sicher sein, wie er sich in einer bestimmten Situation am besten verhält. So etwas wäre sehr unbefriedigend und unbequem für einen Hund, der mit Unsicherheit, Ängstlichkeit, Verwirrtheit oder Ärger reagieren kann.
Noch mehr wissenswertes über Führung
Führung bedeutet aber keinesfalls eine geballte Faust oder auf –die - Brust –Getrommel. Es bedeutet nicht seinen Anspruch mit körperlicher oder seelischer Gewalt durchzusetzen.
FÜHRUNG BEDEUTET EINE LEITENDE HAND.
Bei vielen Interaktionen mit der Familie und anderen Hunden erhalten Hunde eine Antwort auf die Frage, wer die Leitung übernimmt. Sie schenken dieser Frage besonders in für sie relevanten Situationen (wenn es z.B. um die Sicherheit geht) viel Beachtung. Der Respekt, den ein Hund seinem Menschen erweist, ist genau der Respekt, den der Mensch sich verdient hat.
Ein Hund, der glaubt, den höchsten Status innerhalb seiner Gruppe inne zu haben, kann zu einem ernsten Problem werden. Er glaubt das Recht zu haben, Regeln für das Verhalten anderer aufstellen zu können und auch das Recht, diese durchsetzen zu dürfen. Dies teilt er seinen Menschen dann auf hundische Art mit; behandelt sie also eventuell wie flegelhafte Welpen. Das kann so weit gehen, dass er knurrt, schnappt oder beißt.
Wenn ein Hund nicht den Eindruck hat, dass eine Führungspersönlichkeit in seiner Gruppe führt, glaubt er zwangsläufig, die Führung übernehmen zu müssen, denn wenn es sonst keiner tut, bleibt ja nur er - und dann übernimmt er sie auch mit allen Rechten und Pflichten. Auch erwartet er, dass der Mensch sich dann führen lässt, denn der Mensch selber hat die Führung nicht für sich beansprucht.
Extreme Verwirrung entsteht beim Hund, wenn der Mensch sich dann plötzlich seiner Führung widersetzt obwohl er sie ja gar nicht beansprucht hat – so etwas kommt in seiner Kultur eigentlich nicht vor.
Nun hilft es nicht, den Hund klein zu machen und zu unterdrücken. Der einzige Ausweg aus einer solchen Misere ist sich so zu verhalten, dass der Mensch es in den Augen seines Hundes Wert ist, auf ihn zu achten.
Befinden wir uns in einem Raum voller Menschen und teilen ihnen mit, dass das Kalbshirn in Aspik auf dem Tisch bitte stehen bleiben muss, weil es für andere Gäste gedacht ist, wird das normalerweise kein Problem sein. Teilt man aber mit, dass das ganze Bargeld und die Neuwagenschlüssel, so wie die kleinen Goldbarren nicht mitgenommen werden dürfen, wird man etwas mehr Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Übertragen auf einen Hund wäre es ähnlich, wenn man ihn an einem ruhigen Sonntag in der Wohnung auffordern würde, sich hinzusetzen – kein Problem. Auf der Hundewiese, wo andere Hunde spielen und herumtoben, wenn die Nachbarskatze oder Wild vorbeilaufen sieht das natürlich ganz anders aus.
Je wichtiger etwas für einen Hund ist, desto wichtiger ist es seinen Respekt zu haben, denn nur das beinhaltet auch das Recht, ihn in solchen Situationen zu kontrollieren, denn die „Benimmregeln“ von Hunden besagen, dass ein Familienmitglied mit hohem Status die Entscheidungen treffen sollte.
JEDE unserer Interaktion mit einem Hund wird von ihm als Antwort auf eine seiner Fragen angesehen und ernst genommen – die Welt des Hundes enthält keine nachlässigen Interaktionen. Bei jeder Interaktion mit einem anderen Individuum sagt der Hund, was er meint – ehrlich und auf den Augenblick bezogen und geht dabei davon aus, dass alle um ihn herum genauso ehrlich sind. Immer. Den ganzen Tag. Jeden Tag.
Führung wird NICHT in kleinen Übungseinheiten vermittelt. Mit Übungseinheiten kann man einem Hund Sitz, Platz oder andere Kunststückchen beibringen. Die Schwierigkeiten beginnen aber damit, dass die so gelernten Kunststückchen oft nur an bestimmten Orten geübt werden, was zur Folge hat, dass sie auch nur dort ausgeführt werden.
Training kann einem Hund aufzeigen, wie er bestimmte Handlungen oder Aktivitäten ausführen muss.
Führung ist die Basis für das Verständnis des Hundes, wie seine Welt organisiert ist, bietet ihm Informationen über den Status in seiner Gruppe, leitet seine Aktionen nach Bedarf, setzt seinem Verhalten Grenzen wann und wo es nötig ist und legt fest, wie mit wichtigen Situationen umgegangen wird.
Innerhalb von Führung und Training sind alle erdenklichen Zustände möglich. So kann es auf der einen Seite einen Hund geben, der der Star des Obedience – Kurses ist, aber zu Hause seinen Halter anknurrt, wenn er ihn vom Sofa schicken will – auf der anderen Seite gibt es Hunde, die nur eine geringe formale Ausbildung haben, aber tiefen Respekt für ihren Menschen empfinden.
Wenn man sich bewusst dafür entscheidet, mit seinem Hund ein Qualitätsereignis zu schaffen, entdeckt man, dass es nicht mehr Zeit erfordert, sich des Hundes bewusst zu sein und Präsenz zu zeigen, ihm also die volle Aufmerksamkeit zu widmen, als eine flüchtige und unvollständige Verbindung zu pflegen.
Beim Versuch bestimmte Verhaltensweisen des Hundes zu kontrollieren, fragt ein selbstbewusster Hunde-Charakter hartnäckig nach einem WARUM? – und erwartet eine gute und angemessene Antwort darauf. Bekommt er diese nicht, formt sein Selbstbewusstsein seine Welt nach seinen Vorstellungen. Wie diese Antwort ausfällt, hängt stark vom Hund, vom Menschen und der Beziehung ab, die die Beiden zueinander haben. Hier kann man pauschal keinen generellen Tip geben. Das sind dann Hunde, die typischerweise als stur, dickköpfig, unabhängig oder als schwer erziehbar bezeichnet werden….
…dabei erwarten sie einfach nur eine angemessene Antwort auf ihre Fragen.
Einem Tier mit weniger selbstbewusstem Charakter fehlt der Wille, das durchzusetzen, was es möchte, wenn dies bedeutet, dass man dafür jemandem widersprechen muss. Sie sind eher bereit, sich dem anzupassen, was ein anderer vorhat und begnügen sich oft auf die Frage des Warums – wenn sie sie überhaupt stellen – mit der Antwort: „Weil ich das sage“.
Solche Hunde gelten dann typischerweise als klug, umgänglich und leicht erziehbar.
Zwischen sehr ausgeprägtem Selbstbewusstsein und sehr wenig selbstbewussten Hunden liegen viele Möglichkeiten, die auch noch situationsabhängig und von Lernerfahrungen geprägt sind.
Stellt man eine Liste der Situationen zusammen, in denen das Verhalten des Hundes peinlich, frustrierend oder unkontrollierbar ist, hat man die Liste der Dinge, die ihm wirklich wichtig sind. Das heißt nicht unbedingt im positiven Sinn, sondern das heißt, dass er besonders erregt ist. Die Erregung kann aus Angst, Besorgnis, Verteidigungsbereitschaft, Beutetrieb, Verzückung, Schmerz usw resultieren. Es fällt ihm schwer, in solchen Situationen einen klaren Kopf zu behalten und benötigt gerade dann klare Führung und Anleitung.
DOCH DAS VERTRAUEN IN EINE BEZIEHUNG, DAS ES UNS ERLAUBT EINZUGREIFEN UND FÜHRUNG, UNTERSTÜTZUNG UND RATSCHLÄGE ZU GEBEN, MUSS BEREITS VOR DEM EINTRETEN DER KRISE BESTEHEN.
Wenn die Beziehung nicht auf die verschiedensten Arten im täglichen Leben und unter weniger entscheidenden Umständen aufgebaut wurde, besteht die Gefahr, dass der Hund die Versuche des Menschen, sein Verhalten in wichtigen Situationen zu kontrollieren oder zu lenken ignoriert und / oder missachtet.
Ressourcen
Das Untermauern des Führungsanspruches beinhaltet unter anderem die Kontrolle von Ressourcen ALLER ART. Offensichtliche Ressourcen sind Futter, Spielzeug, Knochen, Kauartikel, Leckerchen, usw. oder die Erwartung von solchen Dingen.
Eine Ressource kann auch die Nähe zu einem bestimmten Schrank sein, der gerade vom Menschen geöffnet wird und in dem sich Leckerchen befinden. Auch wenn gerade etwas ganz anderes herausgeholt wird kann die Nähe unter mehreren Hunden einen Ressourcenstreit auslösen, den ein Aussenstehender gar nicht versteht, weil er nicht weiß, was der Schrank enthält.
Auch ein leerer Fressnapf kann als Ressource angesehen werden, weil er für die Erwartung von Futter steht.
Weniger offensichtliche Ressourcen sind:
Aufmerksamkeit, Zugang zum Haus, zum Garten, zu bestimmten Plätzen, Freiheit, Zurückgezogenheit, Aussichtspunkte, bestimmte Möbel, Nähe zu bestimmten Personen, Aktivität usw.
Für jedes Individuum sind andere Dinge wichtig. Was für den einen Hund eine wichtige Ressource ist, ist für den anderen Hund völlig unwichtig. Wenn das Beziehungsgefüge zwischen Mensch und Hund ins Wanken geraten ist, erlaubt das Wissen darum, welche Ressource für den entsprechenden Hund wichtig ist, deren Wert sinnvoll einzusetzen um den Respekt wieder zu erlangen und ein ausgewogenes Gleichgewicht in der Beziehung herzustellen.
Das Problem mit Hunden und Ressourcen ist nicht, wie viel Zugang er zu ihnen hat.
Die wichtige Frage lautet:
HAT DER MENSCH UNEINGESCHRÄNKTEN ZUGANG ZU ALLEM, WAS DER HUND ALS WICHTIGE RESSOURCE ANSIEHT?
Wenn ein Hund beginnt, Regeln für Ressourcen aufzustellen, ist das ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass die Führung an einigen Stellen ungenügend ist.
Solche Zeichen sollten ernst genommen werden, da solche von ihm aufgestellte Regeln auch auf hundische Art durchgesetzt werden könnten: Im Zweifel mit Knurren, Schnappen oder Beißen.
Besitz
Etwas anders verhält es sich beim Verteidigen von Besitz.
Egal welchen Status ein Hund inne hat –wenn er etwas in seinem Maul hat, hat er das Recht es zu verteidigen, wenn er das möchte. Je höher der Status eines Hundes ist, desto größer ist die Zone um ihn herum, in der er etwas als Besitz definieren darf. Hunde mit hohem Status platzieren evt. Dinge etwas weiter weg von ihren Pfoten und betrachten es trotzdem als Besitz. Hunde mit niedrigem Status müssen ihren Besitz unter Umständen direkt im Fang oder darunter haben, damit er als ihr Besitz anerkannt wird.
Das Recht Besitz zu behalten ist jedoch nicht völlig unangefochten.
In letzter Instanz kann ein Hund mit hohem Status einen mit niedrigerem so einschüchtern, dass er seinen Besitz aufgibt und liegen lässt.
Der Mensch aber hat andere Möglichkeiten und muss seinen Hund nicht einschüchtern, um sicherzustellen, dass er auch dessen „Besitz“ beanspruchen kann. Es ist sinnvoll, seinem Hund von Klein auf beizubringen, Besitz abzugeben. Für mich ist die eine der besten Methoden, Gegenstände gegen besondere Leckerchen zu tauschen UND DANN DEM HUND SEINEN BESITZ WIEDER ZU GEBEN. Das sollte man immer wieder mit allem machen, was der Hund herumträgt. Er lernt so, dass es einen Vorteil bringt, Dinge abzugeben (z.B. Leckerchen) und dass man sie danach auch wiederbekommt.
Später wird der Hund auch ihm wichtige Dinge abgeben, ohne ein Leckerchen zu bekommen. Wichtig ist, dass er seinen Schatz immer zurückbekommt.
So ist es in wirklich gefährlichen Situationen einfach, dem Hund Dinge weg zu nehmen – wofür es natürlich dann eine Belohnung geben sollte.
Obwohl also unangefochtener Zugang zu Ressourcen eine Schlüsselhandlung von Leitindividuen ist, muss berücksichtigt werden, dass auch ein Welpe das Recht hat, seinen Besitz zu beanspruchen. Wenn aber über Training vorgesorgt wird, kann daraus kein Problem entstehen und es können Wege erarbeitet werden, die dem Menschen immer den freiwilligen Zugriff auf den Besitz seines Hundes sichern.
Wenn ein Hund sich selber in einer hohen Position sieht, heißt das nicht, dass nicht trotzdem eine innige Bindung zu seinem Menschen bestehen kann. Die Bindung ist fast immer vorhanden – aber es hapert am Rest der Beziehung. Ein verwöhnter Hund, der meint, alle Wünsche seien seinem Menschen Befehl macht so lange keine Probleme und ist auch kooperativ bis er in eine Konfliktsituation mit seinem Menschen gerät, in der er z.B. eine Ressource knurrend für sich beansprucht. Das ist eigentlich kein Problem-, sondern normales Hundeverhalten.
In einer Konfliktsituation den Status eines Hundes anzufechten löst nicht das Problem.
Ein solches Problem muss allgemeiner angegangen werden. Die Lösung liegt in Interaktionen mit dem Hund, die den Hund dazu veranlassen seinem Menschen einen hohen Status zuzuschreiben und somit seine Führung anzuerkennen.
Hunde brauchen keinen unbarmherzigen Diktator, oder besorgten Bürokraten, der das Bedürfnis hat, jeden Unterabschnitt jeder Regel und Vorschrift durchzusetzen. Man muss zunächst herausbekommen, ob ihnen eine Führung mit leichter Hand oder mit klarem Stil geboten werden soll.
Dies ist ganz einfach, in dem wir Zeit mit ihnen verbringen und somit feststellen, wann wir sie nicht kontrollieren oder lenken können, wann sie uns ignorieren oder vielleicht sogar bedrohen. Mit diesen Erkenntnissen kann man dann arbeiten und Lösungen finden, die Konfrontationen oder Ärger vermeiden.
Wenn wir ehrlich beurteilen, wo die Freiheit und die Freude des Hundes durch sein Verhalten eingeschränkt wird, wo unsere Beziehung angespannt wirkt, dann haben wir die Bereiche ermittelt, an denen noch gearbeitet werden muss.
Aufmerksamkeit – das A und O
Nun kommen wir zum grundlegenden, wenn nicht sogar wichtigsten Punkt, der Aufmerksamkeit.
Wenn gegenseitige Aufmerksamkeit in jeder Situation die erste und stärkste Reaktion ist, kann eigentlich nicht mehr viel passieren. Aufmerksamkeit ist die Grundlage für die Bereitschaft zur Kommunikation und auch wieder ein Indikator für die Qualität der Beziehung. Mit Aufmerksamkeit ist mehr gemeint, als der direkte Blickkontakt zwischen Hund und Mensch. Vielleicht ist sogar der Begriff „Achtsamkeit“ eher angebracht, denn hierbei geht es auch um gegenseitigen Respekt und Vertrauen. Diese Art der Aufmerksamkeit erfordert Zeit, Training und langes Üben. Das Problem, was dabei vorherrscht ist, dass Hunde „Spazieren geführt“ werden und man nicht „gemeinsam geht“. Natürlich muss ein Mensch seinen frei laufenden Hund im Blick haben. Dies sollte aber nicht in der Form stattfinden, dass der Hund sich über ständigen Blickkontakt beobachtet fühlt. Ein seinen Hund führender Mensch sollte idealer Weise aufrecht gehen, dynamisch und mit nach vorn gerichtetem Blick. Dabei beachtet er seinen Hund nur dann, wenn es nötig ist. Trotzdem muss man wissen, wo der Hund ist und was er macht, um Verhaltensänderungen erkennen zu können - Aber eher aus dem Augenwinkel heraus, ohne ständig „auffällig“ zu schauen. Ein den Hund leitender Entscheidungsträger wird von seinem Hund nahezu ständig im Auge behalten, beachtet den Hund aber nur dann, wenn es wirklich nötig ist.
Kommt der Hund führungslos an bestimmte Orte, an denen der erwartet, dass besonders tolle Dinge passieren, steigen Erregungslevel und Adrenalinspiegel ins Unermessliche, bis sich das Ganze explosionsartig entlädt. Ein abwesender Hund, der sich unansprechbar auf etwas anderes als seinen Halter konzentriert ist eine besondere Information. Es handelt sich dabei nicht um Aufsässigkeit, sondern um Faszination.
Es gibt keine Möglichkeit, „unwichtige“ Momente zu überspringen und die volle Aufmerksamkeit nur für die „wichtigen“ Momente zu reservieren – es kommt auf das Fundament an.
Grundsätzlich sollte ein Hund, der wegen zu viel Ablenkung nicht mehr ansprechbar ist in eine Umgebung gebracht werden, die weniger Ablenkung bietet. Dort muss man das „Gespräch“ erneut versuchen zu beginnen. Bei Anzeichen von Verlieren (Fixieren, Erstarren oder starr laufen) kann man den Hund ansprechen, antippen, kleine Leinenimpulse geben und sich dabei vom Reiz wegbewegen, denn ist er erst mal nicht mehr ansprechbar, befindet er sich im Gefahrenbereich und steht kurz vor einer Entgleisung / Explosion.
Ist es erst einmal so weit gekommen, ist es schwierig, Schritte einzuleiten, die weiterhin die Beziehung festigen und nicht schwächen. Wir müssen durch Aufmerksamkeit die Gemeinsamkeit wieder herstellen, die die Grundlage für mögliche Kommunikation ist.
Leider sind beim Hund aber kurz vor einer Explosion alle Sinneskanäle bis auf die, die er zur Aufnahme des Reizes benötigt zu. Trotzdem muss ein Weg gefunden werden, seine Konzentration auf etwas anderes zu lenken und wieder zugänglich zu sein.
Bei den Bemühungen, die Aufmerksamkeit des Hundes wieder zu erlangen, muss man beharrlich bleiben und auf den Bruchteil der Sekunde warten, in der sich der Hund seinem Menschen kurz zuwendet – man seine Aufmerksamkeit bekommt. Dann sollte man mit Worten und Taten klar machen, dass man von diesem kleinen Moment absolut begeistert ist. Jede Verschiebung der Aufmerksamkeit des Hundes weg vom auslösenden Reiz und hin zum Menschen muss SOFORT sehr effektiv belohnt werden.
Das Ziel ist ein Hund, der seine Umwelt mit Neugier und Interesse beobachtet, aber trotzdem mit seinem Halter in Kontakt bleibt – immer in der Lage zu reagieren, wenn sein Mensch ihn anspricht.
Wenn der Hund mit „NEIN“ antwortet….über das Durchsetzen von Regeln, die Art der Grenzsetzung und die Anwendung von Zwang und Sanktionen
Und schon sind wir wieder bei einem dieser Punkte, bei dem die Meinungen in der modernen Hundescene sehr differieren. Die Bandbreite reicht von: „Der Hund kann eigentlich machen, was er will“ bis „Der Hund muss unter ständiger Kontrolle stehen und darf kein Eigenleben entwickeln, er braucht keine Kontakte außer den mit seinem Halter. Meiner Meinung nach trifft keine dieser extremen Meinungen zu. Die Individualität von Hunden und deren Haltern – und damit die Individualität der ausgebildeten Beziehungen in Verbindung mit sehr individuellen Lebensräumen und Haltungsbedingungen lassen mal wieder keine allgemeingültige Aussage zu, wie viele und welche Regeln aufgestellt werden müssen und wie diese durchgesetzt werden sollten. Sicher ist für mich nur, dass Regeln im Zusammenleben von Hund und Mensch in nahezu allen Fällen nötig sind (wenigstens zu einem Minimum) und deren Einhaltung auch innerhalb der Führung überwacht und durchgesetzt werden sollten.
…durchsetzen…hört sich zunächst nach Stress an, nach Konflikt oder Meinungsverschiedenheit...und das kann auch alles zutreffen. Allerdings darf das Durchsetzen von Regeln und Grenzen nichts mit Gewalt zu tun haben. Und schon wieder stoßen wir auf einen Begriff, von dem jeder Hundehalter eine andere Vorstellung hat. Was ist Gewalt, wo fängt sie an, und wo hört sie auf? Dazu kommt noch, dass Hunde für uns Menschen augenscheinliche Gewalt (körperlich) evtl. gar nicht als solche wahrnehmen, dafür aber für uns scheinbar harmlose Sanktionen (psychisch) als wirklich schlimm empfinden.
Zunächst ist ganz klar festzuhalten, dass der Hund die ihm „auferlegten“ Regeln und Grenzen generell verstanden haben muss. Er muss also wissen, was wir in bestimmten Situationen von ihm erwarten, was eher Teil der „vorbereitenden Führung“ ist. Steht nun eine Regel oder Grenze im Konflikt mit den Motivationen des Hundes, ist führender Handlungsbedarf des Halters gefragt, um zu gewährleisten, dass Hund und Umwelt nicht zu Schaden kommen, oder belästigt werden. Somit kommen wir zum Thema „durchsetzen“.
Es ist eine ständige Herausforderung für einen Hundehalter herauszufinden, welche Maßnahmen welcher Intensität für einen bestimmten Hund in bestimmten Situationen angebracht sind.
Das „Durchsetzen“ ist ausschließlich dazu da, dem Hund in geeigneter Weise zu vermitteln, wann er eine Grenze überschritten, oder eine Regel nicht eingehalten hat. Der Einfachheit halber nenne ich dies mal „sanktionieren“, oder „Korrektur“. Die Frage muss also nicht lauten: „Darf ich meinen Hund sanktionieren?“, sondern eher: „Wie sanktioniere ich angemessen und verständlich, ohne zu übertreiben und der Beziehung zu schaden, aber doch so intensiv und bestimmt, dass die Korrektur beim Hund ankommt und er daraus Schlüsse für sein zukünftiges Verhalten ziehen kann?“
Der Halter muss also schnelle und trotzdem angemessene Entscheidungen für sein eigenes Verhalten treffen und in den Situationen, in denen Zwang angewandt werden muss, ist es das Ziel, in der Intensität zwar klar und deutlich zu sein, aber nicht über das Ziel hinaus zu schießen. Die Intensität von Korrekturen, die in bestimmten Situationen und Augenblicken eine effektive Kommunikation darstellen kann selbst für einen Hund und eine Situation nicht festgelegt werden – je nach Wetter, Stimmung des Hundes, was vorher passiert ist, Tageszeit usw. müssen andere Intensitäten angewandt werden. Hier geht es um das Beachten feiner Details, das „Lesen“ des Hundes und das so berühmte gute „Bauchgefühl“.
Selbst mit viel sinnvollem Training wird es in der Führung nahezu jeden Hundes früher oder später nötig sein, eine Grenze zu setzen, oder eine Regel durchzusetzen. Also sollte man sich vorher überlegen, wie dies geschehen kann, welche Regeln überhaupt notwendig und sinnvoll sind, und wie sie vermittelt und im „Ernstfall“ eingefordert werden können.
Hunde messen Bewegungsfreiraum eine große Bedeutung zu. Somit ist für mich in sehr vielen Situationen körpersprachlich kommunizierte Raumkontrolle durch Bewegungseinschränkung das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, Regeln und Grenzen zu vermitteln und diese durchzusetzen. Wenn ein Individuum ein anderes nur durch Körpersprache in seinem Bewegungsraum begrenzen kann, hat es den Respekt und die Akzeptanz des Begrenzten. Raumkontrolle ist daher ein gut geeignetes Mittel, einem Hund mitzuteilen, dass er eine Grenze überschritten hat oder im Begriff ist, dieses zu tun. Bewegungsspielraum ist so wertvoll, wie ein kostbares Geschenk und ein Hund versteht diese Art der sanktionierenden Kommunikation sehr gut. Er nimmt sie, in geeigneter Intensität und Länge angewandt, seinem Menschen auch nicht übel. Zu beachten ist allerdings, dass auch körpersprachliche Kommunikation vom Hund gelernt werden muss.
Über Raumkontrolle ist es auch möglich, den Hund auf Distanz zu schicken und diese von ihm für eine gewisse Zeit einzufordern. Das Einfordern von Abstand weckt im Hund den Wunsch nach Nähe. Die Nähe zu seinem Menschen wird so zum Privileg. Wird diesem Wunsch dann nach einiger Zeit stattgegeben, wird die Nähe selbst zur Belohnung.
Hunde bewegen sich gerne und viel. Dieser Drang muss natürlich befriedigt werden. Dazu kann man seinem Hund Beschäftigung anbieten, mit ihm spielen, oder einfach nur spazieren gehen. Allerdings steht über diesem Bewegungsdrang noch ein größeres Bedürfnis, nämlich das nach Orientierung. Bewegungsfreiheit ohne Orientierung (am Menschen) ist wie Fallschirmspringen ohne Fallschirm. Fehlen Grenzen – die auch durchgesetzt werden müssen, sonst sind es keine – werden auch Kommandos nur unzuverlässig umgesetzt.
Natürlich wird über körpersprachlich kommunizierte Raumkontrolle kurzzeitig Druck auf den Hund ausgeübt. Das ist dem Hund aus der Kommunikation mit Artgenossen durchaus vertraut und zunächst einmal nicht schlimm, beziehungsschädigend oder angsteinflößend. Wie stark dieser Druck aufgebaut werden muss, hängt vom Charakter des Hundes ab. Mit eher submissiven Charakteren muss sehr fein nuanciert und mit weitaus geringerer Intensität kommuniziert werden, als mit etwas offensiveren, explorativen Charakteren, die auch gerne mal „nachfragen“, ob das Kommunizierte auch wirklich so gemeint war. Das Wichtigste aber ist: Nach Druck folgt Entspannung. Diese beiden Dinge müssen immer im Paar auftreten. Druck verschafft Aufmerksamkeit. Sobald man diese vom Hund entgegengebracht bekommt, muss Entspannung folgen, die die Situation neutralisiert und auch Platz für eine Reaktion des Hundes lässt. Übt man zu lange Druck aus, der nach einer Reaktion des Hundes aufrecht erhalten wird, kann der Hund daraus nichts lernen. Das Entspannen einer Situation ist lerntheoretisch gesehen am Ende nichts anderes als negative Verstärkung (das Wegnehmen von etwas Unangenehmem).
Auch hier muss zunächst IMMER versucht werden den Grund, die Intention von Fehlverhalten zu ergründen und dann erst zu handeln.
Sobald ein Hund mit „Nein“ antwortet und der Mensch nur noch nach Wegen sucht, wie er ihm mitteilen kann, was er zu tun oder zu lassen hat, ohne den Grund der Weigerung herausfinden zu wollen, stoppt Kommunikation und Diktatur setzt ein.
Oftmals reagiert ein Hund nicht auf seinen Halter, weil er aus verschiedenen Gründen gar nicht KANN.
Es könnte sein, dass er nicht versteht, was wir wollen, dass er Angst hat, dass er Schmerzen hat, dass er gerade lieber etwas anderes machen würde, dass er verwirrt ist oder nicht weiß, was er machen soll…vielleicht respektiert er die Führung des Menschen nicht, weil im Vorfeld diesem Bereich nicht genügend Beachtung geschenkt wurde – vieles ist möglich.
Sobald Zwang und / oder Sanktionierung angewendet werden muss, ist es von enormer Wichtigkeit, dass der Hund merkt, dass der Mensch die Gründe seiner Weigerung versteht und respektiert. Trotz Allem muss die Weigerung als wichtige Kommunikation gesehen, und in die Überlegungen um anzuwendende Maßnahmen mit einbezogen werden.
Zwang eröffnet Möglichkeiten, aber auch Grausamkeit – es ist eine Gratwanderung. Daher muss in diesem Bereich sehr, sehr vorsichtig reagiert werden und der Mensch muss immer im Blick haben, auf welcher Seite er sich befindet.
An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass ein Hund auch seinem Menschen gegenüber das Recht auf defensiven Protest hat. Dieser Protest könnte z.B. reaktiv auf Beharrlichkeit des Hundehalters, eine bestimmtes Verhalten beim Hund hervorrufen zu wollen in Form von leichtem Knurren, Nasenrückenrunzeln und / oder Leerschnappen bestehen. Solche Unmutsäußerungen sollte man getrost übergehen, ignorieren und zur Tagesordnung übergehen, wenn der Hund letztendlich trotzdem das gemacht hat, was wir von ihm erwarten.
Das Abbruchsignal
Über Sinn und Unsinn eines Abbruchsignals lässt sich streiten. Ich persönlich finde es sinnvoll und möchte diesem „Tool“ daher ein paar Zeilen widmen.
In Wolfs- und anderen Canidenrudeln kann man beobachten, dass die Jungtiere nicht nur durch positive Erfahrungen lernen, sondern auch situativ angepasste Verhaltenskorrekturen über sich ergehen lassen müssen. Sozial positive Interaktionen überwiegen zwar, doch gelegentlich wird der Nachwuchs auch gemaßregelt. Dabei geht es oft recht rauh zu. Es kommen nicht-körperbetonte Drohsignale so wie körperbetonte Abbruchsignale zum Einsatz. Günther Bloch beschreibt eine Beobachtung, bei der eine Wolfsmutter einem ihrer Jungen nahelegte, ihre Körpersprache besser zu beachten. Sie nahm sich ein Stück Fell und legte es demonstrativ vor sich hin, was den Welpen dazu bewegte, die warnende Körpersprache der Mutter missachtend auf das neue Spielzeug zu zu rennen. Ihr schneller Vorstoß mit anschließendem zu Boden drücken machte dem nun jammernden Welpen klar, was es heißt, wenn Mama sagt: „Da gehst Du jetzt NICHT dran“. Nachdem sie das Fellstück noch ein paar Mal mit „NEIN“ belegt hatte und sicher war, dass die Lektion beim Welpen angekommen war, überließ sie ihm schließlich das Fell. Es kommt eben nicht darauf an, Ressourcen unbedingt immer für sich zu beanspruchen, sondern darauf, dass man bestimmen kann, wann diese wem zugänglich sind – oder eben nicht. Auch Wölfe statuieren also Exempel und benutzen eine Art „Stellvertreterkonflikt“, also einen Konflikt, der künstlich erzeugt ist und in gefahrloser und entspannter Stimmung und Umgebung einzig und allein dazu dient, dem Nachwuchs etwas beizubringen.
Auch bei Hunden reicht es meiner Meinung nach nicht immer aus, gewollte Verhaltensweisen zu belohnen. Ungewolltes Verhalten verflüchtigt sich nicht von allein. Je nach dem, um welches Verhalten es sich handelt, kann selbst Ignorieren dazu führen, dass es sich eher verstärkt und Hemmungslosigkeit zunimmt. Nicht gewolltes Verhalten sollte also sofort und in der Intensität situationsbedingt angepasst korrigiert werden. Hundehalter, die richtiger Weise so handeln, müssen keinen Vertrauensverlust befürchten. Sehr wichtig ist allerdings, dass man nicht nachtragend ist und nach erfolgter Korrektur sofort wieder eine versöhnliche Haltung einnimmt. Die richtige Intensität der Korrektur hängt stark vom Charakter des Tieres und der Situation ab. Gerade bei Mehrhundehaltung müssen verschiedene Charaktere beachtet und mit daran angepasster Intensität korrigiert werden. Auch das Timing ist ein wichtiger Aspekt bei Abbruchsignalen.
Da wir Menschen sind und keine Hunde, müssen wir unsere Vierbeiner weder anknurren, noch müssen wir sie „abschnappen“ – so wie die Hundemutter es tut. Wir können unseren Verstand einsetzen und wieder vorbereitend arbeiten. Im Fall einer abbrechenden Korrektur besteht die vorbereitende Arbeit in der Vermittlung eines Abbruchsignals. Dieses kann körpersprachlich, verbal, oder kombiniert etabliert und angewandt werden.
Es gibt viele Möglichkeiten, dem Hund ein Abbruchsignal beizubringen, also einem Geräusch, Wort oder einer Handlung die Bedeutung: „Hör mit dem was Du gerade tust sofort auf“ zuzuschreiben. Wichtig ist dabei immer, dass man ihm nach dem Abbruch ein alternatives Verhalten anbietet, das er statt des abgebrochenen Verhaltens zeigen kann. Dies kann immer das gleiche Verhalten sein – mit dem Ziel, dass es irgendwann IMMER gezeigt wird, wenn das Abbruchsignal erfolgt, oder auch variabel (dann soll das Abbruchsignal nur ein Innehalten hervorrufen und den Hund aufmerksam machen, so dass er dann angesprochen werden, und ihm ein Alternativsignal gegeben werden kann). Er soll dann auf das folgende Signal warten. Lernt er dieses zu zeigen, hat man damit mehrere Dinge gleichzeitig erreicht:
-Der Hund lernt eine Lösung für seinen Konflikt „Ich will zwar, aber ich darf nicht“.
-Die evtl. Druck aufbauende Situation des Abbruchs wird neutralisiert (Hund kann für sein gezeigtes Alternativverhalten gelobt und belohnt werden).
-Durch die dem Hund zuteil werdende Aufmerksamkeit des Halters ist er vom auslösenden Reiz abgelenkt und kann besser kontrolliert werden.
Für das Befolgen eines Abbruchsignals – angenommen es wäre sauber und sicher konditioniert – ist am Ende auch der Charakter des Hundes und die Beziehung zu seinem Menschen ausschlaggebend. Hier sind auch genetische Dispositionen mit einzubeziehen, denn selektierte rasseabhängige Charaktereigenschaften beeinflussen die Bereitschaft ein solches Signal zu befolgen stark.
Im Folgenden beschreibe ich meiner Meinung nach sinnvolle und gut funktionierende Methoden, Abbruchsignale aufzubauen.
Als erstes möchte ich einen möglichen Aufbau eines Verbalen Abbruchsignals erklären. Dabei wird der Hund vor ein Problem gestellt, das in ihm Frust auslöst. Er muss sich selbst eine Lösung für dieses Problem erarbeiten, welche dann positiv mit Futter verstärkt und mit dem Abbruchsignal belegt wird. Selbst erarbeitete Problemlösungen bleiben besonders gut im Gehirn hängen, daher sind sie wenn möglich immer vorzuziehen. Für das Verbale Abbruchsignal habe ich einen Laut gewählt, den ich auch aus dem Reflex heraus benutze, um auszudrücken, dass mit etwas aufgehört werden soll, ein „Hey!“. Wenn man das Signal so auswählt, ist man relativ sicher, dass man auch wirklich das konditionierte Abbruchsignal benutzt, wenn es mal etwas hektisch wird und man nicht viel Zeit zum Nachdenken hat.
-Der Hund bekommt aus der rechten Hand ein paar Leckerchen, er muss dafür nichts besonderes machen.
-Nun kommt die Problemstellung. Das Leckerchen wird ihm wieder präsentiert, die Hand aber zur Faust geschlossen, wenn er versucht heranzukommen. Gleichzeitig wird das gewählte Abbruchsignal gegeben. Nun wird unser Hund charakterabhängig mehr oder weniger intensiv versuchen, an das Leckerchen in der Hand zu kommen. Wird er zu rabiat, kann man Handschuhe anziehen und auch ruhig die Nase mit der Hand wegschieben. Nun haben wir Frust aufgebaut. Das Ziel ist es nun, dass der Hund irgendwann von der Futterhand ablässt. Dies kann er durch kurzes Wegsehen, sich setzen, uns ansehen, oder weggehen – egal wie - anzeigen. Das ist nun die Problemlösung, die sofort mit Futter aus der anderen Hand verstärkt werden muss.
-Es hat sich also für den Hund gelohnt, vom Futter abzulassen und sich zurückzunehmen.
-Diese Prozedur kann nun mehrfach wiederholt werden, (4-5x), bevor er wieder wie am Anfang Leckerchen bekommt, die er einfach nehmen darf. Dann wieder Hand zu, wenn er ans Leckerchen möchte, Abbruchsignal geben und verfahren wie beschrieben.
-Gelernt werden soll: Wenn das Abbruchsignal erfolgt, darf der Hund das Futter nicht nehmen, was dann durch eine positive Verstärkung (Futter aus der anderen Hand) belohnt wird. Das Signal ist dann vom Hund verstanden, wenn er sich bei der gleichzeitigen Präsentation des Futters und Setzen des Abbruchsignals zurücknimmt und auf seine Belohnung wartet.
-Weiterführende Übungen sind dann das auf den Boden legen von Futter, das Wegwerfen und das Anbieten von Futter durch eine Hilfsperson. Das Abbruchsignal sollte immer dazu führen, dass er das mit Verbot belegte Futter nicht nimmt, und dafür mit Futter beim Menschen belohnt wird.
-Klappt auch das, kann das Abbruchsignal in andere Bereiche wie z.B. das Verlassen des Weges im Wald, usw. übertragen werden. So ist der Hund dazu in der Lage, es zu generalisieren und es wird mit der Zeit ein allgemeingültiges Signal, dass dazu führt, dass das, was der Hund gerade macht, abgebrochen wird, er kurz inne hält, sein Alternativverhalten signalisiert bekommt und die Ausführung dessen belohnt wird.
Der Vollständigkeit halber möchte ich hier noch darauf hinweisen, dass es Hundecharaktere gibt, die nicht so einfach davon abzubringen sind, zu versuchen, an das Futter zu kommen und dabei sehr rabiat werden. In solchen Fällen gibt es auch die Möglichkeit mit sogenannter positiver Bestrafung zu arbeiten, also unangenehme Reize zu setzen. Damit kann Meideverhalten erzeugt werden, was dann mit dem Abbruchsignal zu belegen ist. Solche Trainingsmethoden erfordern allerdings eine fachkundige Hand um mit dem richtigen Timing und der richtigen Intensität zu arbeiten. Bei der ausschließlichen Verwendung von Futter kann man in sofern nicht viel falsch machen, als dass im schlimmsten Fall der Hund etwas verknüpft, was nicht gewollt war. So etwas ist aber korrigierbar und schädigt nicht unmittelbar Beziehung und Bindung. Bei der Arbeit mit unangenehmen Reizen können die Folgen falscher Anwendung weitreichender sein, daher mit so etwas bitte keine Experimente machen und nur mit einem kompetenten Hundetrainer zusammenarbeiten, der weiß was er tut, und dies auch erklären und begründen kann.
Ein Abbruchsignal muss nicht unbedingt verbal oder ausschließlich verbal konditioniert werden, auch der körpersprachliche Abbruch ist sinnvoll und sollte trainiert werden.
Dazu bietet sich folgende Vorgehensweise an:
Zur Vorbereitung legt man z.B. im Garten oder auch auf dem Spazierweg ein Leckerchen auf den Boden. Man kann es auf einen bunten Teller legen, damit man es leicht wieder findet. Nun geht man mit dem Hund an der Leine auf das Leckerchen zu, führt ihn also heran. Er wird es irgendwann riechen und kurz bevor man es erreicht, wird er darauf zusteuern und es nehmen wollen. Nun kommt der Mensch ins Spiel, durch Eindrehen in Richtung Hund wird dieser gestoppt. Der Mensch steht nun zwischen Hund und Leckerchen und versperrt ihm den Weg. Sobald der Hund inne hält, wir der Weg wieder frei gemacht. Möchte er von sich aus wieder zum Futter, wird wieder mit dem Körper geblockt und ihm der Weg versperrt. Auch jetzt: Sobald er inne hält, den Weg wieder frei machen. Schafft er es, eine kurze Zeit im Angesicht des Futters stehen zu bleiben und vielleicht sogar seinen Halter anzublicken, ist genau das die Lösung für sein Problem und über eine einladende Geste wird ihm erlaubt, das Futter zu nehmen.
Etwas energischere Hunde dürfen dabei auch 1-2 Schritte aktiv zurückgedrängt werden, wenn sie nur durch einen einfachen Block nicht zum Innehalten bewegt werden können.
In den ersten 1-2 Wochen kann dem Hund das Nehmen des Futters bei jeder Wiederholung der Übung, die mehrmals täglich durchgeführt werden sollte, erlaubt werden. Dann können wir davon ausgehen, dass er verstanden hat, was der Block bedeutet. Von nun an kann zwischen nehmen dürfen und weitergehen, ohne dass er es nehmen darf, unregelmäßig variiert werden.
Ein weiteres körperaktives Abbruchsignal ist „Druck und Entspannung“. Dabei teilt man dem Hund über den kontinuierlichen körpersprachlichen Aufbau von Druck mit, dass das, was er gerade macht nicht erwünscht ist. Der Hund entscheidet bei dieser Methode selber, wann er den Druck bemerkt und wie viel davon notwendig ist, um sein Verhalten abzubrechen und Platz für ein Alternativverhalten zu machen, das in diesem Fall immer eine körpersprachliche Einladung zum Mitkommen darstellt.
Dieses Abbruchsignal kann auch gut im Freilauf ohne Leine trainiert werden – es geht aber auch an der Schleppleine.
Der Aufbau und die Durchführung sind eigentlich identisch, bis auf die Tatsache, dass der Hund später weniger Intensität im Druck benötigt, um zu reagieren.
-Man befindet sich im Garten, auf einer Wiese, auf dem Spaziergang, oder sonst wo und der Hund hat einen nicht zu kleinen Aktionsradius, der es ihm gestattet, hier und dort zu schnüffeln.
-Warten, bis er eine besonders gute Stelle gefunden hat, an der er intensiv schnüffelt. Dann zielstrebig und dynamisch auf den Hund zugehen – nicht rennen. Dieses auf den Hund zugehen baut den schon beschriebenen Druck auf. Der Hund wird das spüren. Durch sein weites Gesichtsfeld bemerkt er den Menschen auch, wenn dieser von schräg hinten auf ihn zu marschiert. Während der Mensch nun auf seinen Hund zumarschiert, muss er ihn sehr genau beobachten.
-Sobald der Hund auch nur das kleinste Anzeichen dafür liefert, dass er den Menschen bemerkt hat, sei es durch ein Drehen der Ohren, ein Innehalten, ein Blick aus dem Augenwinkel, oder sogar durch das Wenden des Kopfes und direkte Anblicken des Menschen, ist das Zwischenziel erreicht. Er hat die Aufmerksamkeit des Hundes. Nun muss sofort der aufgebaute Druck verpuffen und eine Einladung zum Alternativverhalten folgen. Der Mensch bleibt also sobald er vom Hund bemerkt wurde stehen und beginnt sich rückwärts vom Hund wegzubewegen. Man kann so einen Hund förmlich vom Ort der Begierde „wegziehen“, ohne ihn berühren zu müssen. Folgt er der Einladung, die Gehrichtung beibehalten, sich drehen und somit wieder vorwärts laufen – fertig.
- Hat er aufgemerkt, folgt aber der Einladung zu kommen nicht, muss der Druck erneut durch dynamisches Annähern des Menschen an seinen Hund aufgebaut werden. Dieses Mal etwas energischer und ruhig etwas länger, auch wenn schon ein Aufmerken ersichtlich ist. Dann wie gehabt einladen.
Wieder hängt es stark vom Hund ab, wie weit man mit dem Druck gehen muss. Ein sensibler Hund wird schon früh aufmerken und sich leicht einladen lassen. Bei einem selbstbewussten und selbstsicheren Hund kann es sogar nötig sein, ihn mit dem Körper von seiner Schnüffelstelle wegzudrängen. Wichtig ist die Einladung, also das Anbieten eines alternativen Verhaltens danach. Die nötige Intensität hängt natürlich auch von der „Wertigkeit“ der Schnüffelstelle und damit von der Motivation des Hundes ab, diese zu verlassen.
Was in der Führung NICHT sinnvoll ist
Immer wieder stößt man auf Empfehlungen, welche Verhaltensweisen man als Hundehalter an den Tag legen soll um seinen Führungsanspruch zu untermauern. Nicht alle sind wirklich förderlich und manche sogar kontraproduktiv.
So muss man als Führungspersönlichkeit NICHT immer vor seinem Hund hergehen. Ist man mit seinem Hund unterwegs und die Landschaft lässt es zu, darf der Hund vor, hinter oder neben seinem Menschen laufen, so wie er gerade möchte. Genauso unsinnig ist es, als Mensch immer als erster durch eine Tür gehen zu müssen. Wichtig ist, dass der Hund zu seinem Menschen den Kontakt hält und ansprechbar bleibt. Wo er sich dabei gerade befindet ist völlig unerheblich. Sieht man sich einer Situation gegenüber, die spezielle Führung verlangt (Weggabelung, ein Pferd kommt entgegen, Spaziergänger kommen entgegen usw), kann es sinnvoll sein, den Hund hinter sich zu bringen. Dies ist aber dann eine spezielle Situation innerhalb der Führung, die sofort wieder aufgehoben werden kann, wenn sie nicht mehr nötig ist. Ähnlich ist es bei Türen. Türsituationen können im Sinne von Führung schon relevant sein – aber nicht dahingehend, dass der Mensch zuerst durch muss. Viel wichtiger und sinnvoller ist es, entscheiden zu können, WANN der Hund durchgeht. Es ist sinnvoll entscheiden zu können, wann das Auto verlassen wird, wann und wie die Wohnung verlassen wird und wann und wie man z.B. in öffentlichen Gebäuden oder Restaurants Türen durchschreitet. Der Hund kann also ruhig vorgehen, sollte aber beeinflussbar sein, wann er das tut.
Als nächstes wäre das Ignorieren eines Hundes über einen längeren Zeitraum als Verhaltenskorrektur zu nennen. Hier kann man wieder Anleihen beim Wolfsverhalten machen. In Wolfsrudeln hat längeres Ignorieren von einzelnen Individuen nur eine Intention und kommt nur in diesem Kontext vor: Einem Rudelmitglied klar zu machen, dass es das Rudel zu verlassen hat. Dies kommt vor, wenn die Alttiere merken, dass das Rudel für die gerade vorherrschenden Umwelt- und Lebensverhältnisse zu groß wird. Dann werden abwanderungsfähige Tiere ignoriert und es finden keine sozialen Kontakte mehr seitens der Alttiere dem abwanderungsfähigen Tier gegenüber statt. Das Ignorieren wird in Hundehalterkreisen oft als sanfte Erziehungsmethode aufgefasst, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Längeres Ignorieren ist soziale Isolation, schließt den Hund aus der Gruppengemeinschaft aus und ist somit eine sehr harte Strafe.
Kurzzeitiges Ignorieren reaktiv auf bestimmte ungewollte Handlungen des Hundes (z.B. Aufmerksamkeit forderndes Bellen) kann dagegen sinnvoll sein und helfen, solches Verhalten zumindest nicht mit Zuneigung zu belohnen. Im Idealfall wird der Hund dadurch das gezeigte Verhalten nicht weiter ausbauen und es wird sich mit der Zeit abschwächen, wenn er merkt, dass er nicht zum Erfolg kommt. Trotzdem ist das Ignorieren keine Ersatzhandlung für das Regeln von Konflikten. Ignoriert man einem Hund gegenüber irgend welche Verhaltensweisen, kommt das bei ihm so an, als hätte man davon nichts mitbekommen, als hätte man nicht verstanden. Was in Situationen wie Aufmerksamkeitseiforderungsversuchen helfen kann, ist in anderen Situationen durchaus kontraproduktiv. So wird das Ignorieren von territorial motiviertem Bellen fast immer dazu führen, dass es sich verstärkt. Anfangs versucht der Hund vielleicht noch, seinen Menschen auf einen Eindringling aufmerksam zu machen. Würde der Halter dann kurz reagieren und ihm klarmachen: „Alles OK, habe ich mitbekommen“, wüsste der Hund: „Ok, er hat es gehört, ich hab meine Pflicht erfüllt und kann mich wieder entspannen“. Das Ignorieren dieses Meldens von Eindringlingen würde dem Hund suggerieren, das der Mensch ihn nicht wahrgenommen, nicht verstanden hat, worauf es sich verstärkt. Weiterhin kann es dazu führen, dass der Hund das Gefühl hat, sich um Eindringlinge selber „kümmern“ zu müssen, was in den wenigsten Fällen gewünscht ist. So trainiert man ungewollt Verhaltensweisen, die sich dann darin äußern, dass der Hund wild bellend am Zaun entlangrennt, oder den Besuch verbellt.
Fazit zum Ignorieren ist also: Längeres Ignorieren sollte man nie anwenden, kurzes Ignorieren kann in bestimmten Situationen sinnvoll sein, ist aber kein Mittel um Konflikte zu regeln – hier muss anders verfahren werden.
Am Ende sei nochmals darauf hingewiesen, dass in der Führung immer mal wieder Druck aufgebaut und Frust erzeugt wird. Es muss immer einen Gegenpol dazu geben, der aus Streicheln, Kuscheln, entspanntem Beisammensein, Spiel, Teamwork und dem Anbieten von belohntem Alternativverhalten besteht. Aufgebauter Druck sollte immer schnellstmöglich eliminiert werden um eine nachtragende Stimmung gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Fazit Führung
Die Führung ist eine der wichtigsten Komponenten im Zusammenleben mit dem Hund. Einerseits gehen fast alle Hunde davon aus, dass jemand aus ihrer sozialen Gruppe die Führungsrolle übernimmt und damit eine Art soziale Ordnung sichert, in der jeder – auch der Hund – weiß, wie er sich wann verhalten darf oder muss. Andererseits ist jeder Hundehalter seiner ihn umgebenden Gesellschaft einen „geführten Hund schuldig“, der innerhalb der bestehenden Gesetze und gesellschaftlichen Normen bestehen kann und nicht unangenehm auffällt.
Führung ist die Basis für das Verständnis des Hundes, wie seine Welt organisiert ist, bietet ihm Informationen über den Status in seiner Gruppe, leitet seine Aktionen nach Bedarf, setzt seinem Verhalten Grenzen wann und wo es nötig ist und legt fest, wie mit wichtigen Situationen umgegangen wird.
Die Art und Intensität der Führung muss für jedes Mensch / Hunde – Team individuell gestaltet werden. Auch bei der Haltung mehrerer Hunde ist es selten sinnvoll bei jedem Hund den gleichen Führungsstil zu etablieren – auch hier muss individuell gehandelt werden.
Führung kann mit einem in Leitplanken eingefassten Weg verglichen werden, der sehr eng sein kann (wenn der Hund beispielsweise in der Stadt an einer Leine geführt wird), aber situativ auch sehr breit gestaltet werden sollte (wenn man sich z.B. in der Natur befindet und keine Gefahren oder potentiell problematische Situationen zu erwarten sind).
Wie aufwändig es ist, einen Hund in jeder Situation sinnvoll zu führen, hängt stark von zwei Faktoren ab:
1. Vom Menschen, seiner hundlichen Fachkompetenz und der Fähigkeit diese in die Praxis umzusetzen.
2. Vom Hund, also seinen angeborenen Eigenschaften, seinen bisherigen Lernerfahrungen und seinen daraus resultierenden situativ vorhandenen Motivationen.
So gibt es Hundecharaktere, die sich fast von allein der menschlichen Führung hingeben, ständig darauf bedacht sind, nichts „falsch“ zu machen, ich nenne sie „Geschenke“. Solche Hunde neigen einfach nicht dazu negativ aufzufallen und es bedarf wenig „Arbeit“ seitens des Menschen, sie zu integrieren und ihnen die Regeln der Gesellschaft zu erklären.
Auch das Gegenteil kann der Fall sein: Sehr erkundungsfreudige Hunde, die situativ starke Motivationen entwickeln, Dinge zu tun, die zwar aus hundlicher Sicht völlig normal und legitim, aber eben nicht mit ihrem gerade vorherrschenden Umfeld kompatibel sind. Ist man mit einem solchen Hund „gesegnet“, ist eine hohe fachliche Kompetenz gepaart mit der Fähigkeit diese praktisch umzusetzen, die nötige Zeit, und eine hohe Motivation (des Menschen) nötig, um dem Hund am Ende einen möglichst konfliktfreien Führungsstil bieten zu können, den er annehmen und akzeptieren kann.
Auf der Führungsebene ist immer eine positive Grundstimmung in Verbindung mit (sozial) positivem Handeln anzustreben. Da Führung aber immer besonders dann gefragt ist, wenn sich der Hund in konfliktträchtigen Situationen befindet, kann sie auch Stress bedeuten – für Hund und Halter. Dieser kurzzeitig auftretende Stress ist aber als Alternative zu lang anhaltendem Stress zu akzeptieren, der vorherrschen würde, wenn der Mensch auf Führung verzichten, und der Hund Aufgaben übernehmen würde, denen er nicht gewachsen wäre. Die meisten Hunde „reißen“ sich nicht darum, Aufgaben in der Gruppe, in der sie leben übernehmen zu müssen und einen „hohen Status“ zu erlangen. Sie werden aber versuchen, DIE Aufgaben zu übernehmen, die in ihren Augen wichtig sind (kann von Hund zu Hund sehr unterschiedlich sein), wenn niemand anderes dies tut. Führung heißt also auch, den Hund von Aufgaben zu entbinden, die ihm wichtig sind, was aber nur funktioniert, wenn man selber diese Aufgaben übernimmt und der Hund sich dahingehend entspannen kann.
Um die maximal mögliche Führungsqualität zu erreichen, muss man für eine gute und gesunde Beziehung sorgen. Auch über vorbereitendes Training kann schon „vorgearbeitet“ werden. Sei es über Impulskontrollarbeit, das Vermitteln eines Abbruchsignals, Leinenführigkeitsarbeit, sonstiges Teamwork, oder ähnliches. Wichtig ist eine sehr sichere, souveräne und authentische Ausstrahlung des Halters. Es ist meiner Meinung nach nicht so, dass aversiv und grob durchgesetzte Regeln dem Menschen einen hohen Status sichern, sondern eher umgekehrt: Ein starkes Fundament in der Beziehung und das sichere und souveräne Bild, was ein Hund von seinem Menschen haben sollte, berechtigt ihn, Regeln überhaupt aufstellen und dann natürlich auch durchsetzen zu dürfen.
Hunde finden Menschen schon genetisch bedingt sozial attraktiv, was in der Domestikation begründet ist und durch eine gute und sinnvolle Sozialisierung untermauert werden kann. Der Mensch braucht also eigentlich nichts anderes zu tun, als die Erwartungshaltung des Hundes zu erfüllen, wobei ihm die Neotenie des Hundes zu Gute kommt, was nichts anderes heißt, als dass ein Hund im Vergleich zum Wolf in einem jugendlichen Stadium verbleibt und psychisch nicht ganz ausreift. In diesem Stadium ist der Status noch nicht so wichtig und es bleibt eine lebenslange erhöhte Lernbereitschaft und Verspieltheit bestehen.
Ein weiterer sehr wichtiger Faktor in der Führung ist die AUFMERKSAMKEIT.
Aufmerksamkeit ist die Grundlage für die Bereitschaft zur Kommunikation und auch wieder ein Indikator für die Qualität der Beziehung. Mit Aufmerksamkeit ist mehr gemeint, als der direkte Blickkontakt zwischen Hund und Mensch. Vielleicht ist sogar der Begriff „Achtsamkeit“ eher angebracht, denn hierbei geht es auch um gegenseitigen Respekt und Vertrauen. Diese Art der Aufmerksamkeit erfordert Zeit, Training und langes Üben. Ein den Hund leitender Entscheidungsträger wird von seinem Hund nahezu ständig im Auge behalten, beachtet den Hund aber nur dann, wenn es wirklich nötig ist.
Kommt der Hund führungslos an bestimmte Orte, an denen der erwartet, dass besonders tolle Dinge passieren, steigen Erregungslevel und Adrenalinspiegel ins Unermessliche, bis sich das Ganze explosionsartig entlädt. Ein abwesender Hund, der sich unansprechbar auf etwas anderes als seinen Halter konzentriert ist eine besondere Information. Es handelt sich dabei nicht um Aufsässigkeit, sondern um Faszination.
Grundsätzlich sollte ein Hund, der wegen zu viel Ablenkung nicht mehr ansprechbar ist in eine Umgebung gebracht werden, die weniger Ablenkung bietet. Dort muss man das „Gespräch“ erneut versuchen zu beginnen. Bei Anzeichen von Verlieren (Fixieren, Erstarren oder starr laufen) kann man den Hund ansprechen, antippen, kleine Leinenimpulse geben und sich dabei vom Reiz wegbewegen, denn ist er erst mal nicht mehr ansprechbar, befindet er sich im Gefahrenbereich und steht kurz vor einer Entgleisung / Explosion.
Ist es erst einmal so weit gekommen, ist es schwierig, Schritte einzuleiten, die weiterhin die Beziehung festigen und nicht schwächen. Wir müssen durch Aufmerksamkeit die Gemeinsamkeit wieder herstellen, die die Grundlage für mögliche Kommunikation ist. Bei den Bemühungen, die Aufmerksamkeit des Hundes wieder zu erlangen, muss man beharrlich bleiben und auf den Bruchteil der Sekunde warten, in der sich der Hund seinem Menschen kurz zuwendet – man seine Aufmerksamkeit bekommt. Dann sollte man mit Worten und Taten klar machen, dass man von diesem kleinen Moment absolut begeistert ist. Jede Verschiebung der Aufmerksamkeit des Hundes weg vom auslösenden Reiz und hin zum Menschen muss SOFORT sehr effektiv belohnt werden.
Selbst mit viel sinnvollem Training wird es in der Führung nahezu jeden Hundes früher oder später nötig sein, eine Grenze zu setzen, oder eine Regel durchzusetzen. Also sollte man sich vorher überlegen, wie dies geschehen kann, welche Regeln überhaupt notwendig und sinnvoll sind, und wie sie vermittelt und im „Ernstfall“ eingefordert werden können.
Das „Durchsetzen“ ist ausschließlich dazu da, dem Hund in geeigneter Weise zu vermitteln, wann er eine Grenze überschritten, oder eine Regel nicht eingehalten hat. Der Einfachheit halber nenne ich dies mal „sanktionieren“, oder „Korrektur“. Die Frage muss also nicht lauten: „Darf ich meinen Hund sanktionieren?“, sondern eher: „Wie sanktioniere ich angemessen und verständlich, ohne zu übertreiben und der Beziehung zu schaden?
Hunde messen Bewegungsfreiraum eine große Bedeutung zu. Somit ist für mich in sehr vielen Situationen körpersprachlich kommunizierte Raumkontrolle durch Bewegungseinschränkung das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, Regeln und Grenzen zu vermitteln und diese durchzusetzen. Bewegungsspielraum ist so wertvoll, wie ein kostbares Geschenk und ein Hund versteht diese Art der sanktionierenden Kommunikation sehr gut. Er nimmt sie, in geeigneter Intensität und Länge angewandt, seinem Menschen auch nicht übel. Zu beachten ist allerdings, dass auch körpersprachliche Kommunikation vom Hund gelernt werden muss. Natürlich wird über körpersprachlich kommunizierte Raumkontrolle kurzzeitig Druck auf den Hund ausgeübt. Das ist dem Hund aus der Kommunikation mit Artgenossen durchaus vertraut und zunächst einmal nicht schlimm, beziehungsschädigend oder angsteinflößend. Das Wichtigste aber ist: Nach Druck folgt Entspannung. Diese beiden Dinge müssen immer im Paar auftreten. Druck verschafft Aufmerksamkeit. Sobald man diese vom Hund entgegengebracht bekommt, muss Entspannung folgen, die die Situation neutralisiert und auch Platz für eine Reaktion des Hundes lässt. Übt man zu lange Druck aus, der nach einer Reaktion des Hundes aufrecht erhalten wird, kann der Hund daraus nichts lernen. Das Entspannen einer Situation ist lerntheoretisch gesehen am Ende nichts anderes als negative Verstärkung (das Wegnehmen von etwas Unangenehmem).
Auch hier muss zunächst IMMER versucht werden den Grund, die Intention von Fehlverhalten zu ergründen und dann erst zu handeln.
Zwang eröffnet Möglichkeiten, aber auch Grausamkeit – es ist eine Gratwanderung. Daher muss in diesem Bereich sehr, sehr vorsichtig reagiert werden und der Mensch muss immer im Blick haben, auf welcher Seite er sich befindet.
Am Ende sei nochmals darauf hingewiesen, dass in der Führung immer mal wieder Druck aufgebaut und Frust erzeugt wird. Es muss immer einen Gegenpol dazu geben, der aus Streicheln, Kuscheln, entspanntem Beisammensein, Spiel, Teamwork und dem Anbieten von belohntem Alternativverhalten besteht. Aufgebauter Druck sollte immer schnellstmöglich eliminiert werden um eine nachtragende Stimmung gar nicht erst aufkommen zu lassen.